Exkurs: Gleichungen - ein erster Überblick
Eine Gleichung ist eine Behauptung.
Allerdings nicht irgendeine Behauptung, sondern die Behauptung, daß
zwei Dinge gleich sind. Die zwei ''Dinge'' enthalten ein oder mehrere
Symbole (Buchstaben), die für Zahlen stehen,
auf die man sich vorerst nicht festlegen will.
Sehen wir uns ein Beispiel an: Ein typischer Fall einer einfachen Gleichung ist
die Behauptung
Dabei soll x für eine reelle Zahl stehen. Für welche? Die Antwort mag verblüffend
erscheinen: Wir erlauben zunächst dem Symbol x, für jede beliebige reelle Zahl zu
stehen! Probieren wir einige aus: Fangen wir mit x = 1 an. Ist x die Zahl 1, so wird
(1) zur Behauptung
und das ist natürlich eine falsche Aussage. Versuchen wir es mit x = 2, so erhalten wir
also wieder eine falsche Aussage. So gesehen, ist eine Gleichung einfach eine
Behauptung, die das Symbol x enthält, und die fast immer, wenn anstelle von x
eine konkrete Zahl eingesetzt wird, eine falsche Aussage darstellt.
Allerdings nur fast immer! Denn es kann passieren, daß die Behauptung für die eine
oder andere Wahl von x auch eine wahre Aussage darstellt!
Für welches x stellt unser einfaches Beispiel (1) eine wahre Aussage dar?
Zu welcher Zahl muß man 2 addieren, um 5 zu erhalten?
Die Antwort ist in diesem Fall ganz klar: es ist die Zahl 3. Mit x = 3 wird
die Gleichung zu
also zu einer wahren Aussage.
Die Zahl 3 heißt eine Lösung der Gleichung (1).
(Man sagt auch, die Zahl 3 ''erfüllt die Gleichung'').
Tatsächtlich ist es die einzige Zahl mit dieser Eigenschaft: Die Gleichung
x + 2 = 5 besitzt also genau eine Lösung, nämlich die Zahl 3.
(Man sagt oder schreibt auch einfach: ''Die Lösung der Gleichung ist x = 3'').
Das Symbol x heißt ''Variable'' (da es zunächst für jede Zahl stehen kann, also
''variabel'' ist)
oder ''Unbekannte'' (da jene Werte, die die Gleichung zu einer wahren Aussage
machen, zunächst nicht bekannt sind).
Betrachten wir ein anderes Beispiel, die Gleichung
Nun heißt die Variable u, und wieder kann anstelle von u jede reelle Zahl
eingesetzt werden. Und wie im ersten Beispiel ist die Behauptung, die sich dann ergibt,
für die meisten Zahlen eine falsche Aussage. Für welche Werte von u ist sie
wahr? Oder, anders ausgedrückt: welche Zahlen u erfüllen die Gleichung?
Zunächst die Zahl 2, denn das Quadrat von 2 ist 4. Für u = 2 wird
die Behauptung (5) zur wahren Aussage 4 = 4. Allerdings gibt es noch eine andere
reelle Zahl, deren Quadrat 4 ist, nämlich -2. Daneben gibt es keine
solche Zahl mehr.
Die Gleichung (5) besitzt daher zwei Lösungen, nämlich -2 und 2.
Die Menge aller Lösungen heißt Lösungsmenge und wird üblicherweise mit
dem Buchstaben L bezeichnet. Die Lösungsmenge der Gleichung
(5) ist L = { -2, 2 }. Für das Beispiel (5) besteht sie aus zwei Elementen.
Will man die Mengenschreibweise vermeiden, so kann man sagen:
''Die Lösungen der Gleichung sind u = -2 und u = 2''. Eine einheitliche Schreibweise
dafür ist u = ±2.
Es kann durchaus auch vorkommen, daß eine Gleichung gar keine Lösung hat.
So ist etwa die Behauptung
für alle reellen Zahlen s falsch (denn das Quadrat einer reellen Zahl kann nicht
negativ sein). In diesem Fall ist die Lösungsmenge leer, d.h. L = { }.
Ein anderes Beispiel für eine Gleichung ohne Lösung ist
Zu welcher Zahl kann man 1 addieren, ohne daß sie sich ändert? Zu keiner!
Wieder ist L = { }.
Manchmal soll das Symbol, die Unbekannte oder Variable, nicht für eine
beliebige reelle Zahl stehen, sondern aus einer vorgegebenen Menge kommen, die
Grundmenge genannt (und üblicherweise mit dem Buchstaben G bezeichnet wird).
Eine typische Aufgabenstellung wäre dann etwa folgende: Es soll die
Gleichung
gelöst werden, wobei die Grundmenge G die Menge der positiven reellen Zahlen
R+ ist.
Wir kennen diese Gleichung schon: es ist dieselbe wie (5). Von den beiden
reellen Lösungen -2 und 2 ist jetzt nur eine ein Element der Grundmenge,
nämlich die Zahl 2 (denn -2 ist ja keine positive Zahl). Wir haben also 2 Î G und
-2 Ï G, und folglich besitzt das Problem nur eine einzige Lösung.
Die Lösungsmenge ist L = { 2 }.
(Sprachlich nennt man so eine Situation das Lösen einer Gleichung ''über''
der Grundmenge G).
Nun müssen wir noch eine mögliche Komplikation besprechen, die bei manchen Gleichungen
auftritt. Es kann geschehen, daß eine Gleichung nicht für alle
Werte der Variablen einen Sinn macht.
Beispiel:
über der Grundmenge der reellen Zahlen.
Wieder können wir anstelle von x alle möglichen Zahlen einsetzen und
überprüfen, ob eine wahre oder eine
falsche Aussage folgt. Allerdings darf x nicht gleich 0 gesetzt werden, denn
0 hat keinen Kehrwert. Für x = 0 ist die Aussage der Gleichung also weder
eine wahre noch eine falsche Aussage, sondern gar keine Aussage! Da es 1/0
nicht gibt, ist auch die Frage sinnlos, ob es gleich 1/2 ist oder nicht!
Um zu einer mathematisch einwandfreien Problemstellung zu gelangen, muß also
der Wert 0 aus der Grundmenge herausgenommen werden.
Man gelangt dann zur sogenannten Definitionsmenge D, d.h. zur Menge aller
Elemente x Î G, für die die Gleichung einen Sinn macht (für die
beide Seiten der Gleichung wohldefiniert sind).
In unserem Fall ist D = R \ { 0 }.
Da eine Lösung der Gleichung auf jeden Fall in der Definitionsmenge liegt,
müssen auf der Suche nach Lösungen nur Elemente dieser Menge
berücksichtigt werden.
Der Vollständigkeit halber wollen wir noch anmerken, daß
Gleichungen auch mehrere Variable enthalten können und daß es manchmal notwendig ist,
mehrere Gleichungen gleichzeitig zu betrachten. Beispiel: Gibt es zwei Zahlen,
sodaß das Quadrat der ersten Zahl gleich der zweiten Zahl und die Summe
der beiden Zahlen 6 ist?
Bezeichnet man die erste Zahl als x und die zweite als y, so besteht die Aufgabe
darin, das Gleichungssystem
zu lösen. (Das Problem hat zwei Lösungen: Die erste ist x = 2, y = 4, die
zweite ist x = - 3, y = 9. Rechnen Sie nach!)
Nach dieser Einführung sollten Sie nun ein ersten Gefühl dafür haben, was
Gleichungen sind. Sie stellen eine besondere Art mathematischer Problemstellung dar.
Das Wichtigste daran ist, daß jede Gleichung - im selben Moment, in dem sie
hingeschrieben wird - eine Menge von Zahlen, die Lösungsmenge,
eindeutig festlegt. Diese Zahlen konkret zu finden - d.h. die Gleichung "zu lösen" -
ist dann eigentlich "nur" ein rechentechnischer Schritt, der Dinge zutage fördert, die
bereits im Voraus feststehen.