Wir haben bei der Argumentation zur Definition von Potenzen mit reellen Exponenten, die wir
beispielhaft anhand der Potenz 2p
vorgeführt haben, nicht die allergrößte mathematische Strenge walten lassen.
Einerseits haben wir nicht genau definiert, was es bedeuten soll, dass eine Zahlenfolge einer Zahl "zustrebt",
und wir haben nicht im strengen Sinn bewiesen, dass unser Resultat (die Zahl, die wir als 2p
bezeichnet haben, und deren Dezimaldarstellung mit 8.824977827... beginnt) tatsächlich existiert.
Können wir ausschließen, dass die Zahlen in der rechten Spalte der Tabelle,
wenn sie sehr weit fortgesetzt wird, plötzlich verrückt zu spielen beginnen?
Die Antwort ist "Ja": Wir können es ausschließen!
Derartige Prozesse der Annäherung nennen wir
Grenzprozesse, und mit ihnen beschäftigt
sich das gleichnamige Kapitel.
Andererseits haben wir die Eindeutigkeit unseres Resultats nicht überprüft:
Wir hätten ja auch irgend eine andere Folge rationaler Zahlen betrachten können,
die beliebig nahe an p herankommen.
Wäre die entsprechende Folge der Potenzen derselben Zahl immer näher gekommen, die wir
oben erhalten haben? Ist also 2p tatsächlich
"universell" definiert, unabhängig vom konkreten Berechnungsverfahren, das angewandt wird?
Die Antwort ist "Ja", und sie hängt mit der Eigenschaft der "Stetigkeit"
der zusammen, der das Kapitel
Stetigkeit von Funktionen
gewidmet ist. Vereinfacht ausgedrückt, besagt sie:
Falls zwei rationale Zahlen x und
x' sehr nahe beieinander liegen,
so liegen auch die Potenzen
ax
und
ax'
sehr nahe beieinander.
Aufgrund dieser Eigenschaft hätten wir einfach auch festlegen können:
Für a > 0 sind
Potenzen mit reellen Exponenten so definiert, dass die Zuordnungsvorschrift
x ®
ax
eine stetige Funktion
R ®
R
darstellt.
Wir können das auch so ausdrücken:
Da die rationalen Zahlen auf der Zahlengeraden sehr "dicht" liegen
(siehe die entsprechenden Bemerkungen im Kapitel Zahlen),
besteht bei der Verallgemeinerung von Potenzen auf reelle Zahlen
(d.h. auf alle Punkte der Zahlengeraden) praktisch keine Wahlmöglichkeit mehr:
Wird verlangt, dass die Zuordnungsvorschrift x ®
ax
stetig sein soll und für rationale Exponenten mit unseren früheren Definitionen
übereinstimmt, so ist sie damit bereits eindeutig festgelegt!
Unser Verfahren, reelle Exponenten durch rationale anzunähern, hat die Eigenschaft der
Stetigkeit ausgenützt, ohne sie extra zu erwähnen.