Sinus und Cosinus in der Physik - zwei Beispiele:
Die beiden hier vorgestellten Anwendungsbeispiele für Winkelfunktionen in der
Physik sollen Sie in erster Linie neugierig machen. Falls Sie den Stoff des Kapitel
noch nicht kennen, versuchen Sie dennoch, diese Seite zu lesen, und kommen Sie
später wieder hierher zurück!
1. Die Drehbewegung
Betrachten wir ein (kleinen) Körper, der sich auf einer Kreislinie
mit Radius r
gleichmäßig im Gegenuhrzeigersinn bewegt. Wenn er sich an einer Position
befindet, die, wie in der folgenden Skizze dargestellt,
durch den Winkel a charakterisiert ist,
dann sind seine Koordinaten durch
x = r cos a
y = r sin a
gegeben. Das ist eine unmittelbare Folge der Definitionen von Sinus und Cosinus.
Während sich der Körper gleichmäßig bewegt, nimmt der Winkel
a gleichmäßig mit der Zeit zu:
Der überstrichene Winkel a ist zur dafür
benötigten Zeit t
proportional.
Hat die Bewegung zur Zeit t = 0
mit dem Winkel a = 0° (d.h. auf der
positiven x-Achse) begonnen, so
ist zu einer späteren Zeit t
a = w t,
wobei w eine Konstante ist,
die Winkelgeschwindigkeit oder Kreisfrequenz heißt. Ist
beispielsweise w = 30°/sec, so
wird pro Sekunde ein Winkel von 30° überstrichen. Nach 12 Sekunden ist eine
volle Umdrehung erreicht, und danach beginnt die nächste Runde.
Die Koordinaten des Körpers zur Zeit t
sind demnach
x = r cos(w t)
y = r sin(w t) .
Diese Formeln sind der Ausgangspunkt für das Studium der Drehbewegung.
Sie sind nicht auf die Bewegung kleiner Körper auf Kreislinien beschränkt,
sondern können auch die Rotation eines starren Körpers um eine
fixe Achse beschreiben.
2. Die harmonische Schwingung
Begegnet man schon der Drehbewegung recht häufig in der Physik, so sind Schwingungsvorgänge
noch öfter in physikalischen Systemen anzutreffen.
Unter allen Arten von Schwingungsvorgängen ist eine besonders wichtig:
der Typ der harmonischen Schwingung. Es handelt sich dabei um eine
Schwingungsform, die von der Drehbewegung abgeleitet werden kann: Betrachten wir
wie oben einen gleichmäßig auf einer Kreislinie bewegten Körper, und
lassen wir parallele Lichtstrahlen (horizontal oder vertikal) einfallen.
Eine harmonische Schwingung ist ein Bewegungsvorgang von dem Typ,
wie ihn der Schatten (die Projektion)
des Körpers auf der entsprechende Koordinaten-Achse definiert:
Ganz allgemein spricht man von einer harmonischen Schwingung, wenn sich
eine physikalische Größe
a in
einer derartigen Weise zeitlich verändert. Angesichts unserer obigen Formeln
ist eine typische harmonische Schwingung durch
a = A sin(w t)
gegeben, wobei (wie vorhin) die Kreisfrequenz w
bestimmt, wie schnell der Vorgang abläuft. Die Konstante
A stellt den maximalen Wert der
Größe a
dar (der Sinus kann ja maximal 1 werden) und
heißt Amplitude. Falls es sich um die
Bewegung des Schattens eines kreisenden Körpers
handelt, ist sie gleich dem Radius r
des Kreises. Wir könnten statt der Sinus- auch
die Cosinusfunktion verwenden oder
t
durch
t - t0
ersetzen (für eine Konstante
t0).
Beides würde nichts Wesentliches am Typ des Vorgangs ändern, sondern
ihn nur zeitlich verschieben. Die letzte Formel macht auch verständlich, warum
man von einer Sinus-Schwingung spricht.
Da eine Schwingung die zeitliche Veränderung einer Größe
beschreibt, kann man durch die Schreibweise
a(t) = A sin(w t)
die Tatsache, dass
a von
t
abhängt, besser zum Ausdruck bringen: die
Größe a
ist tatsächlich eine Funktion (der Zeit).
Viele Schwingungsvorgänge in der Natur lassen sich (zumindest näherungsweise und
für eine gewisse Zeit lang) als harmonische Schwingungen beschreiben.
Physikalisch kann es sich bei a
beispielsweise um
- die Auslenkung eines schwingenden (vibrierenden) Körpers aus seiner Ruhelage,
- den Ort eines Sauerstoffmoleküls der Luft in einer
Flöte,
- die Auslenkung eines Pendels (wenn es nicht zu wild schwingt),
- die Höhe eines Wassermoleküls in einer Welle,
- die Anhebung des Erdbodens während eines Erdbebens,
- die elektrische Spannung, die an einer Steckdose liegt,
- eine Komponente des elektrischen oder des magnetischen Feldes in einer elektromagnetischen Welle
an einem bestimmten Raumpunkt oder
- die quantenmechanische "Wellenfunktion" an einem bestimmten Raumpunkt
handeln. Diese Liste veranschaulicht, wie universal das Konzept der harmonischen
Schwingung ist.