Zusammenfassung


Der Auftrag
Im ADAPT-Projekt mathe online geht es darum, die Mathematik der AHS-Oberstufe in ein Online-System überzuführen, mit dessen Hilfe sich Studierende im Zweiten Bildungsweg auf die Prüfung zu Hause vorbereiten können. Getestet wird dieses Programm an den VHS Floridsdorf und Meidling, die Mathematik-Kurse für die Berufsreife- und Studienberechtigungsprüfung anbieten. Begleitend wird eine tutorielle Betreuung der Studierenden eingerichtet.
Der Auftrag zum vorliegenden Bericht bestand darin, im Rahmen des mathe-online-Projekts eine Internet-Recherche zum Offenen Lernen und Fernlernen (Open and Distance Learning = ODL) durchzuführen. Im engeren Sinn ging es darum, Informationen darüber zu sammeln, wie der Übergang von einem Präsenzkurs zu einem Fernunterrichtskurs vonstatten gehen könnte, welche Umstände dabei wichtig sind und welche Erfahrungen vergleichbare Institutionen damit bereits gemacht haben. Auch sollten Hinweise zu einer theoretischen Basis des ODL gegeben werden.

Die Durchführung
Wie bereits eingangs (S. 3) erwähnt, wird hier unter Internet-Recherche die Sichtung eines weitläufigen Informationsdschungels, die Sammlung brauchbarer Informationen für den im Auftrag formulierten Zweck und ihre Überführung in ein handliches Produkt verstanden. Es ging also darum, aus der unübersehbaren Fülle an Literaturzitaten und Adressen von Institutionen jene auszuwählen, die entweder inhaltlich oder als in Hinblick als mögliche Kontakte nützlich erscheinen bzw. in der Zukunft einmal nützlich werden könnten. Aus diesem Grund wurden auch manche Adressen und Zitate aufgenommen, die gegenwärtig nur am Rande des Projekts mathe online angesiedelt sind.
Als Problem erwies sich, dass Institutionen wie Schulen und Volkshochschulen, die Externistenreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung oder Berufsreifeprüfung mit Fernlernphasen anbieten, im Internet nur mangelhaft vertreten sind. (So haben zwar Abendgymnasien oder Volkshochschulen zwar meist eine Homepage, doch diese gibt i.a. keine detaillierte Auskunft über Projekte, Erfahrungen, organisatorische Entwicklungen oder über publizierte Literatur.)
Im Internet vertreten sind primär Universitäten. Glücklicherweise sind manche organisatorischen oder auch didaktisch-methodischen Maßnahmen beim Übergang zu Fernunterricht nicht sehr verschieden, ob sie jetzt für Studierende an Universitäten oder an Gymnasien eingeführt werden. Nur Dinge werden diese Dinge - zumindest gegenwärtig noch - vorwiegend in Fachjournalen beschrieben. Aus diesem Grund wurde zusätzlich eine Literatur-Recherche in diversen Bibliotheken durchgeführt. Um auch die Perspektive aus der Alltagspraxis zu erhalten, wurde ein ausführliches Interview mit Mag. Karin Eliskases vom Abendgymnasium Innsbruck in den vorliegenden Bericht aufgenommen.

Zur Situation des Fernunterrichts in Österreich
Seit Mitte der 90er Jahre gibt es diverse Ansätze, die heterogener gewordene Bildungslandschaft mit genauer zugeschnittenen Angeboten zu versorgen. Einer dieser Ansätze liegt in der Erweiterung von Präsenzunterricht bzw. von Präsenzkursen um ein zusätzliches Angebot, das (zumindest teilweise) das Studium zu Hause ermöglicht. Diese Einrichtung von Fernstudien erfordert eine abgestimmte Organisation von Präsenz- und Distanzphasen, eine Beratung und tutorielle Betreuung, Materialien, die für das Selbstlernen geeignet sind und Medien, welche die Kommunikation der Lernenden untereinander als auch zu den Lehrpersonen ermöglichen. Hier sind insbesondere Abendgymnasien aktiv geworden, da diese mit Berufstätigen zu tun haben, deren (Präsenz-)Zeit knapp ist. Am weitesten vorangeschritten sind die Abendgymnasien in Innsbruck, Graz und Salzburg.
Auch Privatschulen wie die Maturaschule Dr. Roland bieten die Vorbereitung auf die Reifeprüfung im Fernunterricht und mit eigens erstellten Selbstlern-Materialien an (An dieser Stelle wäre anzumerken: im Vergleich zu den Engländern ist Österreich in Hinblick auf die Entwicklung von Materialien für Selbststudium und Fernunterricht ein Entwicklungsland).
In der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung (ÖGB; Katholische EB; ...) gibt es einige - zum Teil schon seit Jahren und Jahrzehnten existierende - Fernkurse, die auf dem Prinzip der Korrespondenzschulen basieren und im wesentlichen in der Zusendung von Lehrbriefen bestehen. Manchmal können auch Prüfungen dazu abgelegt werden, und fallweise gibt es zusätzliche Seminare wie beim Fernkurs des ,Literarischen Forums der Katholischen Aktion`. Auf technischer Ebene ist das Wirtschaftsförderungsinstitut, das Telelern-Kurse und Lernzentren anbietet, bereits gut entwickelt.
Die Universitäten beginnen erst langsam, sich für Fernunterricht zu interessieren. Sieht man vom ,Zentrum für Fernstudien der Universität Linz` und den zugeordneten Studienzentren Wien und Bregenz ab, die im wesentlichen das Angebot der FernUniversität Hagen übernommen haben, so gibt es bislang nur einzelne (z.B. an der TU Wien; an der Donau-Universität in Krems; oder die in Entwicklung befindliche ,Plattform Telelearning` an der Universität für Bodenkultur in Wien), die mit Fernunterricht experimentieren, eine entsprechende Infrastruktur aufbauen oder Veranstaltungen über Videokonferenz anbieten.

Ergebnisse
Die im Internet, in Bibliotheken und mit Interview ausgewerteten Informationen bieten

  • Das detailliert dargestellte Fernstudien-System des Abendgymnasiums Innsbruck;
  • Die Klärung der für ODL wichtigsten Lernformen (Offenes Lernen, Selbstgesteuertes Lernen, ...);
  • Ausgewertete Literaturhinweise für spezifische Fragen des Fernunterrichts (Verhältnis der Studierenden zum Tutorium; Motivation der Studierenden; Mentoring; ...);
  • Eine Literatur-Referenz-Basis (inkl. Journal-Liste);
  • Web-Adressen, die umfangreiche ODL-Ressourcen (Web-Adressen; Organisationen; Literatur; Projekte; ...) enthalten;
  • Einen Überblick über österreichische Schulen und Weiterbildungsinstitutionen mit Fernunterrichts-Aktivitäten;
  • Web-Adressen mit (zum Teil ausführlichen) Informationen über diese Institutionen;
  • Die wichtigsten (?) internationalen Fernuniversitäten und Fernlehr-Verbände;
  • Hinweise zu österreichischen Bibliotheken, die ODL-Literatur in ihrem Bestand haben;
  • Hinweise zu ODL-Projekten im Socrates-Programm der EU;
  • Anmerkungen für die VHS Floridsdorf und zur Zukunft des Fernunterrichts in Österreich.
In die Recherche nicht aufgenommen wurden Informationen über Mathematik sowie mathematische Software und Internet-tools, da dieser Teil bereits von den Projekt-Partnern Future Media und Siemens abgedeckt wird.

Folgerungen/Ausblick
Im Projekt mathe online geht es nun darum, aus den verschiedenen Elementen (Mathematik-Software; Tutorium-Programm und Weiterbildung der TutorInnen; ODL-Report; Durchführung der Kurse; Evaluation) ein homogenes Ganzes zu schaffen und in der Folge laufend die Qualität des Fernunterrichts zu verbessern.
Die begrenzten Mittel und fehlendes Personal gestatten Institutionen wie einer Schule oder Volkshochschule natürlich nicht, vom Stand weg ein perfektes Fernlern-System einzurichten. Es können jeweils nur im Rahmen der Möglichkeiten einzelne Schritte gesetzt und nach und nach Erfahrungen gesammelt werden. Und man kann auf der Erfahrung anderer aufbauen, wozu dieser Bericht einen kleinen Beitrag leisten soll. In der Praxis sind jedoch viele - und häufig gerade die wertvollsten - Erfahrungen nicht schriftlich festgehalten. Die Konsequenz ist, den Erfahrungsaustausch direkt herbeizuführen: entweder individuell mit ausgewählten Personen/ Institutionen, oder systematisch auf der Ebene einer Plattform, einer Tagung oder eines im Internet eingerichteten Diskussionsforums.
Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, so ist die Situation in Österreich leider so, dass jede Institution dazu tendiert, das Rad neu zu erfinden (D. h.: eigene Selbstlern-Skripten, die eigene CD-ROM, individuelle Software, unsystematische Weiterbildung, mit anderen Institutionen nicht abgestimmte Lernprogramme, ...). Da dies meist sehr mühsam und zeitaufwendig ist (und selten angemessen refundiert), ist auch der Anreiz nicht groß, eigene Entwicklungen anderen zur Verfügung zu stellen, noch weniger dann, wenn diese als "Konkurrenz" betrachtet werden.
Sollte also der Fernunterricht auf eine solide Basis gestellt werden, so erfordert dies

  • auf individueller Ebene
    die Kooperation der MitarbeiterInnen im jeweiligen Haus; die Bereitschaft zum Umdenken (Das Hauptproblem von ODL ist der Wechsel vom Lehren zur Ermöglichung des Lernens, also der Wechsel einer Einstellung!); die Bereitschaft zur eigenen Weiterbildung; das Interesse zur Mitarbeit an ODL-Projekten; ...
  • auf institutioneller Ebene
    die Einrichtung der erforderlichen Infrastruktur; Bereitstellung von Personal; die Motivation und angemessene Bezahlung der MitarbeiterInnen; die Ermöglichung ihrer Weiterbildung und der Mitarbeit an ODL-Projekten; die Förderung der Publikationstätigkeit; die Kooperation mit anderen Einrichtungen; die Beiziehung von Fachleuten; ...
  • auf allgemeiner Ebene (Verbände, Bund,...):
    die Bereitstellung von Mitteln; die Abstimmung der Institutionen; die Einrichtung von Netzwerken; die Förderung des Austauschs von Erfahrungen und Ergebnissen (Durchführung von Tagungen; Einrichtung von Publikationsorganen; die Veränderung curricularer und administrativer Rahmenbedingungen (z.B. die Anrechnung von StudentInnen, auch wenn sie nicht im Hörsaal sitzen; die Anpassung von Lehrplänen an das Selbststudium; ...)); die Förderung von ODL-Forschungs- und Entwicklungsprojekten; usw.
Der Weg zum ODL-Paradies ist also noch weit. Aber es gibt ausreichend gute Gründe, auf ihm zügig voranzuschreiten.



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